ESTATIKA

Die grüne Herausforderung im Gebäudebestand

Wir beschäf­ti­gen uns viel mit Kli­ma­zie­len und deren Umset­zung. Vie­le Wirt­schafts­be­rei­che und Ein­zel­per­so­nen rät­seln über die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen auf die eige­ne Arbeit und das eige­ne Leben. Nach­fol­gend zusam­men­ge­fasst wer­den die Aus­wir­kun­gen auf die Immo­bi­li­en­wirt­schaft, die Ener­gie­be­ra­ter­bran­che und spe­zi­ell die Immobilienfinanzierung. 

Globale und EU-weite Klimaziele

Glo­bal agiert der IPCC (Welt­kli­ma­rat) zur För­de­rung des Kli­ma­schut­zes. Ziel ist die Ver­mei­dung bzw. Ver­rin­ge­rung des Aus­sto­ßes von Treib­haus­ga­sen. Das maß­geb­li­che völ­ker­recht­li­che Ver­trags­werk zum inter­na­tio­na­len Kli­ma­schutz ist die Kli­ma­rah­men­kon­ven­ti­on der Ver­ein­ten Natio­nen (United Nati­ons Frame­work Con­ven­ti­on on Cli­ma­te Chan­ge, ⁠UNFCCC⁠) [1]. Seit Beginn des 20. Jahr­hun­derts bis heu­te hat sich die durch­schnitt­li­che Tem­pe­ra­tur der Erd­ober­flä­che bereits um cir­ca 0,8 Grad Cel­si­us erwärmt. Setzt sich der stei­gen­de Emis­si­ons­trend wei­ter fort, ist laut Welt­bank­be­richt bis Ende des Jahr­hun­derts eine Erwär­mung von bis zu vier Grad Cel­si­us zu erwar­ten [2]. Eine sol­che Erd­er­wär­mung hät­te signi­fi­kan­te Fol­gen für die Umwelt und dar­auf auf­bau­end auch für das Zusam­men­le­ben der Menschen.

Ziel ist daher die Hal­bie­rung (-50 bis ‑85 %) der glo­ba­len CO2-Emis­sio­nen bis 2050 gegen­über dem Niveau aus dem Jahr 2000. Mit dem Euro­päi­schen Grü­nen Deal (Euro­pean Green Deal, kurz EGD) hat die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on 2019 das über­grei­fen­de Ziel der Treib­haus­gas­neu­tra­li­tät bis 2050 mit einer breit ange­leg­ten Wachs­tums­stra­te­gie ver­bun­den (nach­hal­ti­ge Kreis­lauf­wirt­schaft). Die dar­aus fol­gen­de gesetz­li­che Grund­la­ge ist das EU-Kli­ma­schutz­ge­setz aus dem Jahr 2021.

Ein glo­ba­ler Fak­tor bei der Erd­er­wär­mung sind Treib­haus­gas­emis­sio­nen aus dem Gebäu­de­sek­tor. Welt­weit beträgt der Anteil am Gesam­tend­ener­gie­ver­brauch im Gebäu­de­sek­tor ca. 35 % und hat damit einen wesent­li­chen Anteil am Kli­ma­wan­del. Im Kli­ma­schutz­ge­setz wur­den daher gezielt auch Anfor­de­run­gen an den Ener­gie- und CO2-Ver­brauch im Gebäu­de und an die Finan­zie­rung von Immo­bi­li­en gestellt. Aus den glo­ba­len Zie­len las­sen sich wei­ter­füh­rend natio­na­le Zie­le ableiten.

Maß­nah­men im Bereich der Gebäu­de wur­den in den EU-Gebäu­de­richt­li­ni­en defi­niert. Die EU-Gebäu­de­richt­li­nie gibt den Rah­men für die natio­na­le Gesetz­ge­bung vor. Gemäß EU-Gebäu­de­richt­li­nie vom 21.10.2022 sol­len alle neu­en Gebäu­de bis 2030 Null­emis­si­ons­ge­bäu­de sein. Alle bestehen­den Gebäu­de sol­len bis 2050 zu einem Null­emis­si­ons­ge­bäu­de umge­baut wer­den.[3] Ein Gebäu­de­re­no­vie­rungs­pass soll den Ver­brau­chern Zugang zu Infor­ma­tio­nen ermög­li­chen und die Pla­nun­gen zur schritt­wei­sen Reno­vie­rung erleich­tern [4]. Der Gebäu­de­re­no­vie­rungs­pass erleich­tert die Ver­wen­dung neu­er Kenn­zah­len für die Gesamt­ener­gie­ef­fi­zi­enz, u. a. des End­ener­gie­ver­brauchs und der Lebens­zy­klus-CO2-Emis­sio­nen. Es soll sicher­ge­stellt wer­den, dass eine Inau­gen­schein­nah­me auf vir­tu­el­lem Wege durch­ge­führt wer­den kann. Das Pass­sys­tem kön­nen die Gebäudeeigentümer:innen auf frei­wil­li­ger Basis ver­wen­den [5].

Wei­ter­ent­wick­lungs­po­ten­zia­le beim Ver­gleich ener­ge­ti­scher Kenn­zah­len erge­ben sich beim Ener­gie­aus­weis (nut­zer­un­ab­hän­gi­ger Bedarfs­aus­weis vs. nut­zer­ab­hän­gi­ger Ver­brauchs­aus­weis). Der Vor­schlag zur EU-Gebäu­de­richt­li­nie ent­hält wei­ter­hin Defi­ni­tio­nen für emis­si­ons­freie Gebäu­de, umfas­sen­de Reno­vie­run­gen und Hypo­the­ken­port­fo­lio­stan­dards. Die The­ma­tik Bedarfs­aus­weis vs. Ver­brauchs­aus­weis wird auch bei Pfand­brief­ban­ken und bei der Plat­zie­rung von Pfand­brie­fen am euro­päi­schen Finanz­markt dis­ku­tiert (The­ma: Bewer­tungs­kri­te­ri­en bei GreenBonds).

Klimaschutz bei Bestandsgebäuden in Deutschland

Im Sin­ne des Kli­ma­schutz­ge­set­zes ist das bun­des­wei­te Ziel, die Treib­haus­gas­emis­sio­nen von der­zeit 122 Mio. t CO2-Äqui­va­len­te (Stand: 2019) auf 70 Mio. t CO2-Äqui­va­len­te im Gebäu­de­be­reich zu redu­zie­ren. Das ent­spricht einer Reduk­ti­on von ca. 40 %. Die Reduk­ti­on der Treib­haus­gas­emis­sio­nen soll im Gebäu­de­sek­tor sicher­ge­stellt wer­den durch drei wesent­li­che Maßnahmen:

  1. Redu­zie­rung des Sied­lungs­flä­chen­ver­brauch (weni­ger neue Baugebiete)
  2. Erhö­hung des ener­ge­ti­schen Neu­bau­stan­dards (nach­hal­ti­ges Bauen)
  3. Ver­bes­se­rung des ener­ge­ti­schen Gebäu­de­zu­stands (Bestands­sa­nie­rung)

Zur Redu­zie­rung des Sied­lungs­flä­chen­ver­brauchs wur­de das 30 ha Ziel im Zuge der Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie im Jahr 2017 fest­ge­legt. Bund, Län­der, Städ­te und Kom­mu­nen sind im Rah­men der jewei­li­gen Raum­pla­nung ange­hal­ten, Grün­flä­chen zu schüt­zen (Punkt 1). Zur Erhö­hung des ener­ge­ti­schen Neu­bau­stan­dards wur­de das Gebäu­de­en­er­gie­ge­setz (GEG) zuletzt im Jahr 2023 novel­liert. Wei­ter­hin wur­den die Neu­bau-För­der­pro­gram­me ange­passt (Punkt 2). Glei­ches gilt für die Ver­bes­se­rung des ener­ge­ti­schen Gebäu­de­zu­stands (Punkt 3). Hier liegt auch der för­der­po­li­ti­sche Fokus.  Die Höhe der För­der­mit­tel­bud­get im Bereich Bestands­sa­nie­run­gen ist deut­lich höher als im Neu­bau­be­reich (ca. 13 Mrd. Euro vs. 1 Mrd. Euro Förderbudget).

Bun­des­weit gibt es ca. 19 Mio. Wohn­ge­bäu­de, davon ca. 16 Mio. Ein-/Zwei­fa­mi­li­en­häu­ser und 3 Mio. Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser [6]. Wir gehen auf­grund der aktu­el­len Stu­di­en­la­ge davon aus, dass ca. 60 % aller Gebäu­de älter als 40 Jah­re sind (vor Ein­füh­rung der WSchV). Von die­sen älte­ren Objek­ten haben mehr als die Hälf­te kei­ne Außen­wand­däm­mung, ein Drit­tel kei­ne Dach­däm­mung und Drei­vier­tel der Gebäu­de kei­ne Fuß­bo­den- bzw. Kel­ler­de­cken­däm­mung. Selbst die gedämm­ten Wohn­ge­bäu­de sind in der Regel nicht voll­stän­dig gedämmt. Dabei ist der aller größ­te Teil im Besitz von Pri­vat­per­so­nen. Die Stu­di­en deu­ten dar­auf hin, dass der größ­te Anteil am Gesam­tend­ener­gie­ver­brauch durch Ein- und Zwei­fa­mi­li­en­häu­ser ver­ur­sacht wird. Der durch­schnitt­li­che End­ener­gie­be­darf in deut­schen Wohn­ge­bäu­den beträgt rund 125 kWh/​m²a (ent­spricht Klas­se D; Stand: 2020). Den größ­ten Anteil am Gebäu­de­en­er­gie­ver­brauch nimmt die Erzeu­gung von Raum­wär­me ein.

Zur Redu­zie­rung des Ener­gie­ver­brau­ches kann einer­seits die ther­mi­sche Gebäu­de­hül­le (gerin­ge­re Wär­me­ver­lus­te), ande­rer­seits die Ener­gie­er­zeu­gung (höhe­re Ener­gie­ef­fi­zi­enz, gerin­ge­rer Ener­gie­ver­brauch) ver­bes­sert wer­den. Zur Ver­bes­se­rung der ther­mi­schen Gebäu­de­hül­le wer­den Gebäu­de gedämmt und luft­dicht ver­sie­gelt. Zur Sicher­stel­lung der Feuch­te­pro­ble­ma­tik (Schim­mel­ri­si­ko) bei Luft­dicht­heit kön­nen Lüf­tungs­an­la­gen ver­baut wer­den. Zur Erhö­hung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz wer­den effi­zi­en­te­re tech­ni­sche Anla­gen ver­baut (Hei­zung, Heiz­wär­me­ver­tei­lung, Lüf­tung etc.). Gleich­zei­tig kön­nen zur Wär­me- und Strom­ver­sor­gung die erneu­er­ba­ren Ener­gien ein­ge­setzt wer­den (z. B. durch Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen, Solar­ther­mie, Geo­ther­mie etc.).

Eine Her­aus­for­de­rung für staat­li­che Ein­rich­tun­gen beim Errei­chen der fest­ge­leg­ten Kli­ma­zie­le ist die Pro­jek­tie­rung bei den Immo­bi­li­en­ei­gen­tü­mern und Immo­bi­li­en­in­ves­to­ren, sowie die Umset­zung bei Hand­werks­un­ter­neh­men. Zur Moti­va­ti­on sind ver­trau­ens­wür­di­ge Anga­ben über die Wirt­schaft­lich­keit ener­ge­ti­scher Sanie­rungs­maß­nah­men not­wen­dig.

Auswirkungen in der Immobilienwirtschaft

Seit dem rus­si­schen Angriffs­krieg im Jahr 2022 sind die Gas­prei­se (Pri­mär­ener­gie) und damit auch die Strom­prei­se (Sekun­där­ener­gie) dras­tisch gestie­gen. Noch im Jahr 2020, vor der Ener­gie­kri­se, war Gas mit ca. 550.000 Gas-Brenn­wert­kes­seln die füh­ren­de Tech­no­lo­gie im Bereich der Wär­me­er­zeu­gung, deut­lich vor Wär­me­pum­pen (ca. 120.000). Über­tra­gen auf die damit ver­bun­de­nen Ener­gie­trä­ger ist die Abhän­gig­keit vom extern gelie­fer­ten Gas und Strom im deut­schen Gebäu­de­be­stand sehr hoch. Im Jahr 2014 gaben Immo­bi­li­en­nut­zer rd. 73 Mrd. Euro für Raum­wär­me, Warm­was­ser, Beleuch­tung und Küh­lung aus [7].

Zur Kos­ten­sen­kung bzw. Ver­rin­ge­rung des Ener­gie­ver­brauchs sind Ener­gie­ein­spar­maß­nah­men (gerin­ge­re Raum­tem­pe­ra­tu­ren, opti­mier­tes Heiz­ver­hal­ten) und ener­ge­ti­sche Gebäu­de­sa­nie­run­gen die Mög­lich­kei­ten, um den stei­gen­den Ener­gie­kos­ten kurz-bis mit­tel­fris­tig ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ener­gie­ein­spar­maß­nah­men sind oft nur mit Abstri­chen mög­lich, da damit auch Kom­fort­ver­lus­te und Schim­mel­ge­fah­ren (kal­te Innen­raum­luft) ent­ste­hen. Wei­ter­hin haben die EU-wei­ten Anfor­de­run­gen an die Finan­zie­rung von Immo­bi­li­en, sowie der stei­gen­de Ein­fluss der Ener­gie­kos­ten auf die gesam­ten Wohn­kos­ten dazu geführt, dass Immo­bi­li­en mit hohen Ener­gie­be­darfs­wer­ten schlech­ter bewer­tet wer­den. Für Eigentümer:innen und Immo­bi­li­en­in­ves­to­ren/-inves­to­rin­nen (Projektentwickler:innen) ent­steht wert­tech­nisch und aus Grün­den stei­gen­der gesetz­li­cher Anfor­de­run­gen ein neu­er Anreiz, Gebäu­de ener­ge­tisch zu sanie­ren. Der Ein­satz Erneu­er­ba­rer Ener­gien (z. B. Pho­to­vol­ta­ik, Solar­ther­mie, Wär­me­pum­pe) sorgt zudem für eine höhe­re Unab­hän­gig­keit von zen­tra­len Gas- und Strom­an­bie­tern für die dar­in leben­den Nutzer.

Eine wesent­li­che Her­aus­for­de­rung für die Immobilieneigentümer:innen und Immo­bi­li­en­in­ves­to­ren/-inves­to­rin­nen ist trotz Wirt­schaft­lich­keit der Maß­nah­men die Finan­zie­rung der ener­ge­ti­schen Gebäu­de­sa­nie­rungs­maß­nah­men (Liqui­di­täts­pro­blem), sowie der Ver­gleich zu Alter­na­tiv­in­ves­ti­tio­nen. Zur Finan­zie­rung der Sanie­rungs­maß­nah­men sol­len die Zuschüs­se vom Staat in Form ver­güns­tig­ter Kre­di­te, Son­der­til­gungs­zu­schüs­se und steu­er­li­chen Abschrei­bun­gen hel­fen. Eigentümer:innen benö­ti­gen jedoch wei­ter­hin ent­spre­chen­des Know-How (Bera­tung), lang­fris­ti­ge wirt­schaft­li­che Sicher­heit, sowie Eigen- und Fremd­ka­pi­tal von Ban­ken. Ban­ken wie­der­um benö­ti­gen Know-How und die Bereit­schaft, staat­li­che För­der­pro­gram­me aktiv in die Finan­zie­rung ein­zu­bin­den. Dies war in der Ver­gan­gen­heit nicht immer der Fall.

Auswirkungen auf die Immobilienfinanzierung

Die Finanz­wirt­schaft all­ge­mein spielt für Volks­wirt­schaf­ten und die Welt­wirt­schaft eine zen­tra­le Rol­le. Ihre Auf­ga­be ist es, Inves­ti­tio­nen aus der Real­wirt­schaft zu finan­zie­ren. Ban­ken, wie bei­spiels­wei­se Kre­dit­ban­ken, Pfand­brief­ban­ken oder Uni­ver­sal­ban­ken, haben ver­schie­de­ne Anrei­ze, die glo­ba­len Kli­ma­schutz­zie­len zu berücksichtigen.

Zum einen stei­gen die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen und Regu­la­to­ri­en (EU-Taxo­no­mie, ESG), ande­rer­seits gilt es zukünf­tig die stei­gen­den Umwelt­ri­si­ken finan­zi­ell neu zu bewer­ten. Glo­bal betrach­tet zei­gen Unter­su­chun­gen des Welt­wirt­schafts­fo­rum 2020, dass mitt­ler­wei­le die öko­lo­gi­schen Risi­ken (Extrem­wet­ter, Schei­tern des Kli­ma­schut­zes, Natur­ka­ta­stro­phen, Ver­lust der Bio­di­ver­si­tät, men­schen­ge­mach­te Umwelt­ka­ta­stro­phen) die größ­ten Risi­ken für die Finanz­wirt­schaft dar­stel­len. Die Finanz­wirt­schaft hat durch das Kre­dit- und Ver­si­che­rungs­ge­schäft oder eige­nen Inves­ti­tio­nen in Immo­bi­li­en einen wich­ti­gen Ein­fluss auf die Ent­wick­lung eines kli­ma­neu­tra­len Gebäu­de­be­stan­des. Die im Jahr 2020 ver­öf­fent­lich­te »EU-Taxo­no­mie« ist ein zen­tra­ler Bau­stein der regu­la­to­ri­schen Maß­nah­men. Die Taxo­no­mie erleich­tert eine ein­heit­li­che Ein­ord­nung einer »grü­nen« Inves­ti­ti­on, wenn­gleich ein­heit­li­che Kri­te­ri­en im Detail noch nicht aus­for­mu­liert wur­den (Stand: 2022) [8].

Die stei­gen­den Anfor­de­run­gen der Inves­to­ren und Regu­la­ri­en füh­ren dazu, dass attrak­ti­ve Ren­di­ten am Finanz­markt zukünf­tig ver­stärkt bei grü­nen Pfand­brie­fen mög­lich sein wer­den (gilt für Pfand­brief­ban­ken und Uni­ver­sal­ban­ken). Die Frei­ga­be finan­zi­el­ler Mit­tel sei­tens der EZB wird stren­ge­ren Regu­la­ri­en unter­zo­gen. Dies wird zu einer Stei­ge­rung der Attrak­ti­vi­tät grü­ner Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­run­gen füh­ren (gilt für Kre­dit- und Universalbanken).

In der Immo­bi­li­en­wirt­schaft spricht man bereits von »Stran­ded Assets«, also Immo­bi­li­en, die in weni­ger attrak­ti­ven Lagen und schlech­tem ener­ge­ti­schen Gebäu­de­zu­stand erheb­lich an Wert ver­lie­ren wer­den. Der ener­ge­ti­sche Zustand wird zu einem bedeu­ten­den Bewer­tungs­fak­tor. Begrün­det wird dies durch feh­len­de Nach­fra­ge bei Mietern/​Mieterinnen und Käufern/​Käuferinnen (stei­gen­de Ener­gie­prei­se und höhe­re Wohn­an­for­de­run­gen), den schwie­ri­ge­ren Bedin­gun­gen bei der (Re-) finan­zie­rung (sie­he oben) und einem neu­en Kon­kur­renz­druck. Für Ban­ken könn­ten sich unvor­teil­haf­te Eigen­ka­pi­tal­an­for­de­run­gen erge­ben, die eine Sen­kung der Eigen­ka­pi­tal­ren­di­te zur Fol­ge hätten.

Zur Bewer­tung einer grü­nen Immo­bi­lie wer­den EU-wei­te Kri­te­ri­en fest­ge­legt, die sich aktu­ell vor allem anhand der Ener­gie­ef­fi­zi­enz­klas­se laut Ener­gie­aus­weis und der Höhe des Pri­mär­ener­gie­be­darfs in Rela­ti­on zum nationalen/​regionalen Gebäu­de­be­stands ablei­ten las­sen [9]. Die Anfor­de­run­gen las­sen sich flä­chen­de­ckend nur mit ent­spre­chen­der Ver­füg­bar­keit von Gebäu­de­da­ten nach­wei­sen. Für die Erstel­lung der Ener­gie­aus­wei­se und der spä­te­ren Zer­ti­fi­zie­rung von grü­nen Pfand­brie­fen und Invest­ment­fonds sind Fach­ex­per­ten/-exper­tin­nen (zer­ti­fi­zier­te Energieberater:innen) not­wen­dig. Ers­te Ein­schät­zun­gen zur stra­te­gi­schen Aus­rich­tung sind bereits kurz­fris­tig mit neu­ar­ti­gen Tools möglich.

Bei der Finan­zie­rung von Alt­be­stän­den besteht die Her­aus­for­de­rung dar­in, die vor­han­de­nen (bei Anschluss­fi­nan­zie­run­gen) und zukünf­ti­gen Eigentümer:innen (bei Erb­schaft oder Ver­kauf) von einer ener­ge­ti­schen Gebäu­de­sa­nie­rung zu über­zeu­gen. Eine Über­zeu­gung ist mög­lich, wenn güns­ti­ge­re Zins­be­din­gun­gen, oder Son­der­til­gungs­zu­schüs­se ange­bo­ten wer­den kön­nen. Die­ser Markt­vor­teil bedingt eine Vor­ab-Ein­schät­zung, wel­chen Ener­gie­stan­dard die geplan­ten Sanie­rungs­maß­nah­men erfül­len wer­den.

Gleich­zei­tig erge­ben sich für Ban­ken bei Sanie­rungs­maß­nah­men höhe­re Finan­zie­rungs­ri­si­ken (schwer kal­ku­lier­ba­ren Sanie­rungs­kos­ten, unsi­che­re Aus­wir­kun­gen auf die Immo­bi­li­en­be­wer­tung). Aus die­sem Grund for­dern Ban­ken ver­mehrt Kos­ten­schät­zun­gen von exter­nen Fach­ex­per­ten/-exper­ti­nenn (Architekten/​Architektinnen, Ingenieure/​Ingenieurinnen, Energieberater:innen). Bei Immo­bi­li­en­be­wer­tun­gen im Rah­men der Finan­zie­rungs­be­ra­tung wur­de bis­lang häu­fig davon aus­ge­gan­gen, dass zwi­schen Käufer:in und Verkäufer:in der ver­ein­bar­te Preis den aktu­el­len Markt­wert wider­spie­gelt, sodass zur Ablei­tung der Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen ver­ein­facht der Belei­hungs­wert ermit­telt wer­den kann (pro­zen­tua­ler Abschlag). Die Anga­ben sind hilf­reich, um Kunden/​Kundinnen mit mög­lichst wenig Bera­tungs­auf­wand (Ver­triebs­kos­ten für die Ban­ken) eine pas­sen­de Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­rung anbie­ten zu kön­nen. Die Vor­ge­hens­wei­se funk­tio­niert bei Bestands­im­mo­bi­li­en (ohne gro­ße Maß­nah­men) und Neu­bau­pro­jek­ten (hohe Ver­gleich­bar­keit, gute Daten­grund­la­ge) erfah­rungs­ge­mäß gut. Bei Alt­ge­bäu­den mit Sanie­rungs­be­darf ist eine indi­vi­du­el­le Vor­ab-Ein­schät­zung erfor­der­lich, damit Effi­zi­enz­haus-Stan­dard, Sanie­rungs­kos­ten und Immo­bi­li­en­wert sich im Nach­hin­ein nicht als unrea­lis­tisch dar­stel­len und hohe Ver­triebs­kos­ten ent­ste­hen, die sich im Wett­be­werb zu ande­ren Ban­ken als nach­tei­lig erwei­sen können.

Der digitale Gebäudebestand als flächendeckende Bewertungsgrundlage

In der Gesell­schaft ist all­ge­mein fest­stell­bar, dass vor allem Pri­vat­kun­den/-kun­din­nen ver­mehrt web­ba­sier­te Bera­tungs­an­ge­bo­te nut­zen, sodass bei der Kun­den­ge­win­nung zukünf­tig anspre­chen­de Bera­tungs­tools und qua­li­fi­zier­te Erst­be­ra­tun­gen eine wich­ti­ge Rol­le in einem neu­en Finan­zie­rungs­um­feld ein­neh­men wer­den. Stei­gen­der Druck im Bereich der Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­rung ergibt sich durch gestie­ge­ne Zins­kos­ten, begrenz­ten För­der­mit­teln im Neu­bau und den damit ein­her­ge­hend sin­ken­den Neubauanfragen.

Bei eini­gen Anbie­tern wer­den bereits neue Tools zur ener­ge­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Immo­bi­li­en­be­wer­tung in der Finan­zie­rungs­be­ra­tung ein­ge­setzt. Wohin­ge­gen die Ent­wick­lung von rech­ner­ge­stütz­ten Tools zur wirt­schaft­li­che Immo­bi­li­en­be­wer­tung über die letz­ten Jah­re weit vor­an­ge­schrit­ten ist, gibt es im Bereich ener­ge­ti­scher Bewer­tun­gen bis­lang erst weni­ge flä­chen­de­cken­de und bera­tungs­freund­li­che Ange­bo­te. Der Grund dafür sind in der Regel feh­len­de Gebäu­de­da­ten, feh­len­de spe­zia­li­sier­te Geschäfts­mo­del­le und in der Ver­gan­gen­heit auch Anrei­ze zur Nut­zung. Schließ­lich wur­de in den letz­ten Boom-Jah­ren vor­zugs­wei­se der Neu­bau finan­ziert (hohe För­der­zu­schüs­se im Bereich KfW 55 etc.). Ein gutes Bewer­tungs­mo­dell erfor­dert metho­di­sche Kennt­nis­se, hin­rei­chend detail­lier­te Gebäu­de­da­ten und eine anwen­der­freund­li­che Umset­zung. Fach­in­ge­nieu­re/-inge­nieu­rin­nen ver­wen­den schließ­lich eine ande­re Spra­che als Finanzierungsberater:innen. Wei­ter­hin basie­ren die vor­han­de­nen Bewer­tungs­mo­del­le auf gro­ben Annah­men, die wie­der­um über die Ein­hal­tung von Effi­zi­enz­haus-Stan­dards und damit der För­der­mit­tel­hö­he ent­schei­den können.

Gegen­wär­tig wird der ener­ge­ti­sche Gebäu­de-Ist­zu­stand auf Basis von Ver­brauchs­da­ten ermit­telt und dar­auf auf­bau­en­de Emp­feh­lun­gen abge­lei­tet. Der Ener­gie­ver­brauch ist aller­dings eine nut­zer­spe­zi­fi­scher Kenn­grö­ße, die nicht die Qua­li­tät des tat­säch­li­chen Gebäu­de­zu­stand wie­der­gibt. Die Alter­na­ti­ve ist eine Indi­vi­du­al­be­ra­tung. Aus Ban­ken­sicht ist dies eine kos­ten­in­ten­si­ve Opti­on, die ein­zel­nen Kunden/​Kundinnen (groß­vo­lu­mi­gen Immo­bi­li­en und Pro­jekt­ent­wick­lun­gen) vor­ent­hal­ten bleibt. Ener­gie­ef­fi­zi­enz-Exper­ten/-Exper­tin­nen wer­den häu­fi­ger nach Sanie­rungs­kos­ten­schät­zun­gen und erziel­ba­ren Effi­zi­enz­haus-Stan­dard gefragt. Die­se sind finan­zie­rungs­re­le­vant, weil davon die För­der­zu­schüs­se und Kre­dit­be­din­gun­gen abhängen.

Wir gehen ins­ge­samt davon aus, dass qua­li­fi­zier­te Ener­gie­ef­fi­zi­enz-Exper­ten/-Exper­tin­nen und Ingenieure/​Ingenieurinnen, die Pro­ble­me in der Immo­bi­li­en­fi­nan­zie­rung ver­ste­hen, ent­spre­chen­de Bera­tungs­tools durch Part­ner­schaf­ten mit IT-Entwickler:innen vor­stel­len kön­nen und dar­über hin­aus auch im Bereich von Green­Bonds, ESG und wei­te­ren The­men bera­ten, wer­den mas­si­ve Wett­be­werbs­vor­tei­le und eine hohe Nach­fra­ge erle­ben. Das Feed­back und die Rück­mel­dung unse­rer Partner:innen, Kunden/​Kundinnen und Netz­wer­ke geben uns hier Recht. Wir dür­fen gespannt sein auf die wei­te­re Zukunft. Unse­re Kunden/​Kundinnen dür­fen auf unse­re Tools gespannt sein. Ener­ge­ti­sche Kri­te­ri­en im Gebäu­de­be­stand, Bewer­tungs­mo­del­le und anschlie­ßen­de Bewer­tun­gen und Betreu­un­gen durch Fach­ex­per­ten/-exper­tin­nen wer­den jeden­falls zukünf­tig ver­stärkt im Fokus stehen.

Der Text erhebt kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Anspruch. Hier ent­hal­ten sind Erfah­rungs­wer­te aus unse­rer Berufs­pra­xis und ver­ein­zelnd Zah­len aus Publi­ka­tio­nen Drit­ter. Bei Rück­fra­gen zu den ein­zel­nen Anga­ben kön­nen Sie sich ger­ne bei uns unter info@estatika.de mel­den.

Autor: Dr. Chris­toph Ebbing, Geschäfts­füh­rer ESTATIKA GmbH


Quellenangaben:

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-eu-klimapolitik#internationale-klimapolitik

[2] Ebd.

[3] Null­emis­si­ons­ge­bäu­de sind Gebäu­de, die kei­ne CO2-Emis­sio­nen aus fos­si­len Brenn­sto­fen und nur sehr gerin­ge Men­gen an Treib­haus­gas­emis­sio­nen verursachen.

[4] Der Reno­vie­rungs­pass ist ver­gleich­bar mit dem indi­vi­du­el­len Sanie­rungs­fahr­plan.

[5] https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13280–2022-INIT/de/pdf

[6] Hier gibt es leicht unter­schied­li­che Schätzungen/​Zählungen, z. B. der AG Ener­gie­bi­lan­zen e. V. (AGEB), des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz (BMWi) und der dena (Deut­sche Ener­gie-Agen­tur GmbH)

[7] https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2021/dena-Gebaeudereport_2021_-_Fokusthema_Zahlen__Daten__Fakten.pdf

[8] Ebd.

[9] https://www.pfandbrief.de/site/de/vdp/sustainable_finance/eu-taxonomie/auf_einen_blick.html#par_3.1